15:15 – 16:30
PARALLELE FACHFOREN | Session 1
FF1.4
Moderation: Julia Stroj, Österreichischer Gewerkschaftsbund
Inputs
Michaela Kindervater, Verband der Ersatzkassen (vdek)
Friederike Weber, prospect GmbH Research & Solutions
Rafael Weissbrodt, Haute école de santé Wallis
Abstract: Technologische und gesellschaftliche Entwicklungen, wie die digitale Transformation, der demographische Wandel oder die zunehmende Individualisierung, verändern die Arbeitswelten. Miteinher gehen gesundheitliche Risiken, die der Aufmerksamkeit bedürfen. Die vorgestellte Studie aus dem iga.Report 44 unterstützt Beratende dabei, die verschiedenen Konzepte und die richtigen Ansatzpunkte für Sicherheit und Gesundheit in neuen Arbeitswelten kennenzulernen und so Risiken gezielt zu adressieren.
Dieser Input stellt die agile Organisation, die Soziokratie und die Holokratie, sowie die evolutionäre Organisation vor. Gemein ist diesen Konzepten die Betonung von Selbstorganisation und Selbstverantwortung der Beschäftigten, die Abflachung von Hierarchien, die stärkere Sinnorientierung und Flexibilität sowie die umfassendere Integration von Leistungspotentialen der Beschäftigten. Bezogen auf diese Konzepte werden drei Ansatzpunkte für die Präventionsarbeit und die BGF ausgearbeitet: Erstens bieten die Merkmale neuer Formen der Arbeitsorganisation Anknüpfungspunkte für die Präventionsarbeit und die BGF. Zentraler Gedanke ist es, die (Gesundheits-)Kompetenzen der Beschäftigten zu entwickeln. Die steigende Selbstverantwortung führt dazu, dass gesundheitliche Themen zunehmend eigenverantwortlich wahrgenommen werden, wofür entsprechende Kompetenzen erforderlich sind. Zweitens ergibt sich ein Ansatz für die Präventionsarbeit und die BGF aus den Veränderungsprozessen im Zuge der Umgestaltung von Arbeitsorganisationen. Gesundheitliche Belastungen sind in Phasen der Veränderung besonders hoch und Präventionsthemen müssen dann entsprechend direkt eingebracht werden. Drittens müssen sich Beratende für Prävention und BGF in den neuen Formen von Arbeitsorganisation zurechtfinden und wissen, wie sie Gesundheitsthemen gezielt einbringen können. Dies gelingt vor allem dann, wenn sich diese Fachleute selbst agile Arbeitsmethoden aneignen.
Muskel-Skelett-Erkrankungen stehen nach wie vor an der Spitze der Ursachen für Arbeitsausfalltage. Der Beitrag arbeitsbedingter Muskel-Skelett-Belastungen (MSB) lässt sich zwar nicht genau beziffern, ein kausaler Zusammenhang gilt jedoch als sicher. Vor diesem Hintergrund wird der Einsatz von Exoskeletten als mögliche Präventionsmaßnahme zunehmend diskutiert.
Um zur Beantwortung der Frage beizutragen, ob der Einsatz von Exoskeletten Hoffnung auf eine nachhaltige Reduzierung von MSB bietet, hat das Institut für Arbeitsschutz der DGUV (IFA) verschiedene Studien zur Wirksamkeit von Exoskeletten durchgeführt.
Beim Einsatz von Exoskeletten wurde in zwei Studien eine Reduktion von Belastungsparametern bei statischen Armhaltungen in Form eines Anstiegs des sauerstoffhaltigen Hämoglobins und einer verringerten elektromyographischen Aktivität in den betroffenen Muskeln festgestellt. In weiteren Studien konnte ein Unterstützungseffekt von Exoskeletten im Hinblick auf ein reduziertes lumbales Drehmoment bei exoskelettspezifischen Tätigkeiten wie dem Heben und Absetzen von Lasten aus niedrigen Ausgangs- oder Absetzhöhen nachgewiesen werden. Verschiedene Laborstudien in der wissenschaftlichen Literatur haben zudem einzelne positive Effekte durch Exoskelette in spezifischen Belastungssituationen identifiziert.
Demnach scheint der Einsatz von Exoskeletten bei beruflichen Aufgaben die akute körperliche Belastung der Nutzer*Innen in der spezifischen Körperzielregion des Exoskeletts zu reduzieren. Ob diese Effekte jedoch ausreichen, um in der Praxis am Arbeitsplatz einen nachhaltigen Entlastungseffekt zu generieren, um MSB zu reduzieren bzw. deren Entstehung vorzubeugen, ist bisher weitgehend unbeantwortet. Daher sind die Auswirkungen auf die Gesundheit der Arbeitnehmer noch nicht bekannt, insbesondere weil Langzeitstudien unter realen Arbeitsbedingungen fehlen.